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Synagoge Tessin

Region: Rostock
Adresse: Tessin, Mühlenstraße 10
Erhaltung: privates Gebäude

Geschichte der Synagoge

Die Existenz einer Tessiner Synagoge in der Zeit der jüdischen Erstbesiedlung Mecklenburgs ist nicht bekannt. Die nach der jüdischen Wiederbesiedlung gegründete jüdische Gemeinde von Tessin nutzte zunächst vermutlich gemietete Beträume, bevor diese vermutlich im Jahr 1826, möglicherweise auch erst 1827, finanziell in der Lage war, sich eine Synagoge zu erbauen. Einer noch überlieferten Anforderungen ist zu entnehmen, dass man sich beim Plan an der Ribnitzer Synagoge orientieren wollte: die Höhe und Größe sollte ihr entsprechen, man sollte gute Materialien zum Bau nehmen, eine Frauenempore war beabsichtigt und bei der angeschlossenen Schule sollte ein Stall sein, worin das Heizmaterial für den Lehrer aufbewahrt werden sollte. Die Baukosten und die Anschaffung des Grundstücks waren mit 1300 Reichstalern veranschlagt. Ob die Anforderungen letztlich so eingehalten und umgesetzt wurden, ist nicht überliefert, Sie wurde dann auf einem Grundstück in der heutigen Mühlenstraße 10 errichtet.

Über die anschließende Geschichte und die Nutzung des Baus während des 19. Jahrhundert ist wenig überliefert. 1830 erhielt die Tessiner Gemeinde eine Synagogenordnung, 1847 stritt man innergemeindlich um die Plätze in der Synagoge. Etwa 1849 kam es zu einer Diskussion, was mit dem von Theodor Cossmann gekauften Ackerstück geschehen solle, dass er als Kirchplatz gekauft hatte. Ob darauf der Bau einer neuen Synagoge geplant war, ist unbekannt. Cossmann widersprach jedenfalls sowohl dem Verkauf als auch einer angedachten Verpachtung des Grundstückes.

Mit Schrumpfen der Mitgliederzahlen der Tessiner Gemeinde kam diese wie viele andere jüdische Gemeinden im Lande finanziell in Bedrängnis und musste Kredite aufnehmen, um die Gemeindeaufgaben bewältigen zu können. Einem Schreiben vom 23. Juli 1913 an das Landesrabbinat ist deshalb zu entnehmen, dass das Synagogengrundstück in diesem Jahr bereits mit einer Hypothek in Höhe von 2000 Mark belastet war. Gottesdienst fand in dieser Zeit nur noch an den Hohen Tagen statt, der Religionsunterricht für die Kinder wurde einmal wöchentlich durch den Religionslehrer Bernhard Sawitz aus Rostock abgehalten. Bis 1919 besuchte die jüdische Gemeide von Sülze den Gottesdienst in Tessin. Noch 1924 befand sich die Synagoge in Gemeindeeigentum, war jedoch immer noch mit einer Hypothek belastet.

Die Wohnung in der Synagoge war bis 1937 an privat vermietet. Der Mieter zog aus, hatte zuvor aber alle Bänke und alle sonstigen Gegenstände aus Holz aus der Synagoge herausgerissen. Der Schaden wurde ihm von der Gemeinde anschließend in Rechnung gestellt. Auch das Gebäude der Synagoge an sich war in einem schlechten Zustand, weshalb durch den Rostocker Rechtsanwalt Richard Josephy ein Käufer gesucht wurde. Die Synagoge wurde schließlich mit Wirkung zum 1. Januar 1938 für 1600 Reichsmark und damit wie der Güstrower Rechtsanwalt Marcus ausführte zu einem guten Preis an Heinrich Büttner verkauft. Dieser erklärte sich sogar bereit, die Pflege des jüdischen Friedhofs von Tessin zu übernehmen. Das Haus der ehemaligen Tessiner Synagoge entging deshalb der üblichen Zerstörung während der „Reichskristallnacht“ im November 1938 und existiert heute noch als Nebengebäude auf einem privaten Grundstück.

Die Mikwe

Spätestens im 19. Jahrhundert gab es in Tessin eine Mikwe. Die in Quellen überlieferte Mikwe ist sehr wahrscheinlich erst gegen Mitte dieses Jahrhunderts erbaut worden, hatte aber bereits einen Vorgänger, über den nichts bekannt ist. Die Kenntnis über die Mikwe ist einem Schreiben vom 2. Mai 1856 zu verdanken, in dem der Israelitische Oberrat in Schwerin die jüdische Gemeinde Tessin binnen sechs Wochen aufforderte, Stellung zu einem Mängelbericht in Bezug auf das Reinigungsbad zu nehmen, den der Landesrabbiner Dr. Isidor Lipschütz zuvor erstellt hatte.

Demnach war Anlass für die im Sommer 1855 durchgeführte Inspektion Lipschütz’ in Tessin eine Eingabe des Malchower Kaufmannes Jacobsohn gewesen, ohne das klar ist, weshalb dieser sich beschwert hatte. Lipschütz war jedoch mit der Ausführung des Baus nicht zufrieden gewesen, denn nach seiner Sichtweise hatte man in Tessin nicht wie bei der Vorgänger-Mikwe den Einbau der unumgänglichen Pumpe und des Kessels zum Hineinleiten des Wassers in den Kessel und zur Erwärmung desselben nicht umgesetzt. Dies sei aber notwendig, um auch insbesondere älteren Frauen in geschwächtem Gesundheitszustand die Nutzung des Bades zu ermöglichen. Schon vor dem Beginn des Baues des Reinigungsbades habe das Landesrabbinat die Tessiner Gemeinde über den korrekten Bau eines Reinigungsbades instruiert.

Die Tessiner Gemeinde erwiderte allerdings, dass bei der Instruktion des Religionslehrers Gutmann durch das Landesrabbinat keine Rede von einer Pumpe und dem Kessel gewesen sei, wohingegen Lipschütz im Nachhinein der Ansicht war, dass dies nicht hätte explizit erwähnt werden müssen. Vielmehr ging Letzterer davon aus, dass man dies aus finanziellen Gründen unterlassen habe, obwohl die Tessiner Gemeinde zu den Wohlhabenderen zählte. Letztlich bestand Lipschütz auf den nachträglichen Einbau und es ist recht wahrscheinlich, dass er sich schließlich gegen den ausdrücklichen Willen des Vorstands durchgesetzt haben wird.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 02.09.2016)
Quellen:

  • Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Wichern-Verlag, Berlin 1992
  • Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 5.12-7/1, Nr. 9093 (Gemeinde Tessin); Rep. 10.72-1, Nr. 128, 138 (Israelitischer Oberrat); Rep. 10.72-3/1, Nr. 450, 448 (Jüdische Gemeinden)