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Fürstenberg (Havel)

Zur jüdischen Geschichte von Fürstenberg (Havel)


Aus der ersten Phase der jüdischen Ansiedlung in Mecklenburg ist bezüglich Fürstenberg nichts überliefert. Fürstenberg, das früher zum historischen Mecklenburg, genauer zm Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz gehörte, wurde später in der zweiten Phase neben Strelitz zum Ort mit dem zweithöchsten Anteil an jüdischen Bewohnern in Mecklenburg-Strelitz.

Möglicherweise siedelten sich in Fürstenberg bereits um 1718 erste jüdische Familien an, was allerdings nicht belegbar ist. Die ersten Nachweise für Juden in Fürstenberg liegen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts vor. Die Stadt war in dieser Zeit zu einem bedeutenden Stapel- und Umschlagplatz für die Binnenschifferei avanciert und bot damit günstige Bedingungen für den Handel, die auch jüdische Händler anzogen. Spätestens um 1740 muss es zur Ansiedlung erster Schutzjuden gekommen sein: Das Fürstenberger Kirchenbuch belegt, dass sich hier 1743 ein Jude namens Simon Levin in diesem Jahr taufen ließ. 1745 wird ein ansässiger Jude namens Gössel genannt. Fünf Jahre später, 1750, lebten hier nachweislich zwei Juden, von denen einer Jacob Levin hieß. Dieser holte um 1755 drei seiner Brüder, Samuel Levin, Benjamin Levin und Hirsch Levin, nach Fürstenberg. 1758 erscheint hier ein Marcus Levin, der allerdings nicht mit den vorgenannten Brüdern verwandt war. 1763 wurde die Geburt des Abraham Levin in Fürstenberg erwähnt, der vermutlich ein Nachkomme der schon genannten Brüder gewesen sein muss, später eine Rosalie Philipp heiratete und nach Schweden auswanderte. Ein Jahr später, 1764, wird in einer Verordnung des Herzogs Adolf Friedrich IV die Fürstenberger Judenschaft als solche explizit erwähnt.

1764 erfolgte eine weitere Taufe eines Samuel Buchholtz und 1773 hatte sich noch ein Philip Leo zum Christentum bekehren lassen. Die immer mal wieder auftretenden Taufen hatten wohl vor allem wirtschaftliche Gründe: Allem Anschein nach ließen sie sich bekehren, um einem Handwerk nachgehen zu können, da das Juden zu der Zeit noch verwehrt war.

Schon in dieser ersten Periode der Ansiedlung in Fürstenberg, genauer 1761, wurde hier der erste jüdische Friedhof mit herzoglicher Genehmigung angelegt.

Die in Fürstenberg ansässigen Schutzjuden ernährten ihre Familien, wie bei den Juden in ganz Mecklenburg üblich, mit den für sie typischen Handelsgeschäften, da ihnen zu diesem Zeitpunkt stets nur das landesherrlich gestattet wurde.

Schon recht früh, 1777, gab es in Fürstenberg mit herzoglicher Genehmigung die erste Synagoge. Eine weitere Ausnahme in Mecklenburg war hier auch das frühe Bestehen eines Reglements für die Fürstenberger Judenschaft, eines rechtlichen Rahmenregelwerks, das am 4. März 1779 eingeführt wurde. Seit mindestens 1785 gab es im Ort eine Judenschule. Sowohl die Synagoge als auch die Judenschule wurden dann jedoch Opfer des großen Stadtbrandes von 1797.

Durch die frühe Ansiedlung von Juden in Fürstenberg entwickelte sich die hiesige jüdische Bevölkerung ebenso früh und rasanter als in anderen Mecklenburger Orten: Um 1800 gab es bereits etwa 200 jüdische Einwohner bei einer Gesamtanzahl von 1800 Einwohnern, 1802 waren es mehr als 200, laut einigen Quellen sogar 300 und blieb wohl bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mehr oder weniger konstant bei etwa 250. Ab 1850 setzte dann auch hier der typische, durch Abwanderung und Emigration bedingte Mitgliederschwund ein. So sanken die Zahlen innerhalb eines Jahres von über 200 auf nur noch ca. 130 jüdische Einwohner im Jahr 1851.

Bereits im Jahr 1808 hatte sich die jüdische Gemeinde von Fürstenberg eigene Gemeindestatuten erlassen. Die durch das Emanzipationsedikt von 1813 des Herzogtums Mecklenburg-Schwerin geforderte und durch das Herzogtum Mecklenburg-Strelitz übernommene Annahme erblicher Familiennamen bei den Juden erfolgte hier im Jahr 1814. Über Fürstenberg wurden dabei folgende Familiennamen gemeldet: Arnheim, Bernheim, Enkelferth, Frankenthal, Friedenberger, Friedländer, Hallinger, Hirschberg, Hirschburg, Jacobson, Leopoldus, Levinhaupt, Liebenthal, Lüsserheim, Lychenheim, Mündelheim, Potzernheim, Presburger, Riess, Rosenthal, Saale, Salinger, Sanders, Simonssohn, Storckheim, Zessenheim und Zossenheim.

Wohl der größeren Anzahl an Gemeindemitgliedern geschuldet war es - anders als in den meisten jüdischen Gemeinden - in Fürstenberg schon recht früh Usus, mehrere Gemeindevorsteher zu wählen. So gab es 1839 insgesamt drei Vorsteher: Elkan Potzernheim, Louis Leopold und Jacob Simonsohn, 1852: waren dies Michael Simonsohn und ein M. Wolfsohn. Schließlich wurden die eigenen, 1808 verabschiedeten und bis dahin geltenden Gemeindestatuten 1854 durch eine landesherrliche, hoheitlich verordnete Gemeindeordnung ersetzt. Diese sah von nun an nur noch einen Vorsteher vor, dem ein Vertreter beigeordnet wurde. Von 1866 bis 1881 war so Dr. med. Jacob Götz Vorsteher der Fürstenberg Gemeinde, später bis 1897 Joseph Gimpel.

Die jüdische Bevölkerung schrumpfte gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch weiter. Waren 1881 noch etwa 50 jüdische Einwohner ansässig, waren es 1890 nur noch 30, darunter die Familien Elliot, Gimpel, Götz, Julius, Liebenthal, Potzernheim und Zossenheim.

Anfang des 20. Jahrhunderts sind als Gemeindevorsteher noch Gustav Julius, Hugo Liebenthal und bis 1911 Fritz S. Altmann und Hugo Liebenthal überliefert. In anderen Mecklenburger Gemeinden ebenfalls eher unüblich gab es in Fürstenberg Synagogenvorsteher. Überliefert sind als solche Synagogenvorsteher von 1866 bis 1880 der Tuchhändler Hirsch Gimpel und von 1881 bis 1897 der Pferdehändler Julius Potzernheim.

Im Jahr 1914 war die Israelitische Gemeinde Fürstenberg dann soweit geschrumpft, dass sie finanziell nicht mehr lebensfähig war. Sie wurde deshalb an die Gemeinde Neubrandenburg angeschlossen. Im Rahmen dessen wurde noch im gleichen Jahr die Synagoge an privat verkauft.

Auch wenn es nun keine offizielle jüdische Gemeinde in Fürstenberg mehr gab, wohnten hier noch jüdische Einwohner. War das Zusammenleben bis dato weitestgehend problemlos verlaufen und kann als nachbarschaftlich geprägt bezeichnet werden, traten in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erste antisemitische Tendenzen in Fürstenberg zu Tage, wobei treibende Kraft die Ortsgruppe Fürstenberg/Ravensbrück des Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbundes war. Die üblichen Repressalien des späteren Nationalsozialsmus trafen auch hier die noch wenigen vorhandenen jüdischen Einwohner. So wurden belegbar ab 1933 jüdischen Händlern im Ort die Gewerbeerlaubnis entzogen. 1935 lebten nur noch zwei jüdische Einwohner in Fürstenberg: die Musiklehrerin Toni Richter und Ruth Hamburger (später verheiratete Weigert), die beide Opfer des Holocaust wurden. 1939 kam es zur Zerstörung des jüdischen Friedhofs durch die Nationalsozialisten. Die Synagoge blieb unangetastet, allerdings nur, weil das Gebäute sich schon lange in privater Hand befand. Im Januar 1939 erklärte sich die Stadt Fürstenberg für „judenfrei“.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 24.09.2015)
Quellen:

  • http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1065549
  • http://www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=7&BIO_ID=910
  • Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Die Familiennamen der Juden in Mecklenburg: Mehr als 2000 jüdische Familien aus 53 Orten der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im 18. und 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2001
  • Spring, Felicitas: Die jüdische Gemeinde in Fürstenberg (Havel) vom 18. bis 20. Jahrhundert: zugleich ein Beitrag zur Familiengeschichte des Schutzjuden Gottschalck Moses und der Familie Riess, Herold-Jahrbuch, Jg. 17, Berlin 2012, S. 145-259
  • Stegemann, Wolfgang: Die jüdische Bevölkerung in Fürstenberg, Jacobeit, Wolfgang (Hrsg.) / Stegemann, Wolfgang (Hrsg.): Fürstenberg/Havel Ravensbrück: Beiträge zur Kulturgeschichte einer Region zwischen Brandenburg und Mecklenburg, Band 1: Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, Hentrich & Hentrich, Berlin 2000

Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Fürstenberg (Havel)


Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Fürstenberg (Havel)

Familien mit Bezug zu Fürstenberg (Havel)


Aaron, Altmann, Arnheim, Backhaus, Behrend, Bernheim, Cohn, Elliot, Enkelferth, Feldberg, Frankenthal, Friedenberger, Friedländer, Gerson, Gimpel, Goldstein, Grenzfelder, Götz, Halinger/Hallinger, Hamburger, Hermann, Hirschberg, Hirschburg, Jacobi, Jacobson, Jossenheim, Julius, Klein, Kroner, Krug, Landsberger, Leopold/Leopoldus, Levin, Levinhaupt, Lewithan, Liebenthal, Liepmann, Lissenheim, Lychenheim/Lichenheim, Lüsserheim, Mendelsohn, Mündelheim, Neustadt, Potzernheim, Presburger, Richter, Ries/Riess, Rosenthal, Saale, Sacher, Salinger, Sanders, Simonsohn/Simonssohn, Storckheim, Süßmann, Talmann, Wilenzky, Winterfeld, Wolfsohn, Zessenheim, Zossenheim

Persönlichkeiten


  • Greifswalder Mediziner Dr. med. Oscar Minkowski

Bekannte Holocaust-Opfer (17)


  • Hermine Colberg geb. Frankenthal
  • Flora Frankenthal
  • Carl Frankenthal
  • Else Gimpel
  • Gertrud Grzymisch geb. Behrendt
  • Susanne Leyser
  • Rosa Lichtenstein geb. Simonsohn
  • Gertrud Liebenthal
  • Herbert Liebenthal
  • Hedwig Maaß geb. Potzernheim
  • Elise Moses geb. Portheim
  • Elisa Moses geb. Portheim
  • Rosa Neumann geb. Gimpel
  • Otto Potzernheim
  • Sofie Potzernheim
  • Agnes Schlawanski geb. Portheim
  • Else Schmul geb. Liebenthal

Stolpersteine: 1


  • Am Röblinsee 3
    • Ruth Weigert geb. Hamburger

Veröffentlichungen zu den Juden von Fürstenberg (Havel)


Publikationen


  • Adreßbücher über und für den Gewerbe- und Handelsstand der Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz
  • Mercantilisches Addreßbuch der Großherzogthümer Meckl.-Schwerin u. -Strelitz, worin: die Addressen der Magistratspersonen der Städte, der weltlich obrigkeitlichen Beamten der Flecken, der Accise- und Postbeamten, fremden Consuls, Advocaten, Apotheker, Kaufleute, Fabrikanten, Manufacteurs, Buchhändler, Gasthofinhaber und anderer dazu qualificirende Handels- oder industrielle Geschäfte treibende Leute in den Großherzopthümern, wie auch: bei jedem entsprechenden Orte Angabe seiner Wolkszahl, Meilenzeiger, Notizen über Schiffs-, Fuhrgelegenheiten etc.
  • Borchert, Jürgen / Klose, Detlef: Was blieb... Jüdische Spuren in Mecklenburg
  • Buddrus, Michael / Fritzlar, Sigrid: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich: ein Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, ergänzt durch ein biographisches Lexikon der Bürgermeister, Stadträte und Ratsherren
  • Kasten, Bernd: Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945
  • Weißleder, Wolfgang: Der Gute Ort: Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg
  • Popp, Günter: Jüdisches Leben in Fürstenberg und im Strelitzer Land
    In: Mecklenburg - Heimatzeitschrift für Landsleute und Freunde Mecklenburgs, Band 42 (2000), S. 10, 11
  • Spring, Felicitas: Einblicke in die jüdische Gemeinde Fürstenberg/Havel im 19. Jahrhundert
    In: Mitteilungsblatt. Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg, Heft 2/2012, S. 85, 86
  • Spring, Felicitas: Die jüdische Gemeinde Fürstenberg (Havel) und ihre Mitglieder 1854/55
    In: Zeitschrift für Mitteldeutsche Familiengeschichte 54/2013, S. 38–42
  • Spring, Felicitas: Die jüdische Gemeinde in Fürstenberg (Havel) vom 18. bis 20. Jahrhundert: zugleich ein Beitrag zur Familiengeschichte des Schutzjuden Gottschalck Moses und der Familie Riess
    In: Herold-Jahrbuch, Jg. 17, Berlin 2012, S. 145-259
  • Stegemann, Wolfgang: Die jüdische Bevölkerung in Fürstenberg
    In: Jacobeit, Wolfgang (Hrsg.) / Stegemann, Wolfgang (Hrsg.): Fürstenberg/Havel Ravensbrück: Beiträge zur Kulturgeschichte einer Region zwischen Brandenburg und Mecklenburg, Band 1: Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, Hentrich & Hentrich, Berlin 2000
  • Voß, Gerhard: Jüdische Friedhöfe in Mecklenburg – eine Bestandsaufnahme
    In: Studienhefte zur Mecklenburgischen Kirchengeschichte, Heft 1 (1993), S. 5-15