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Altentreptow

Zur jüdischen Geschichte von Altentreptow


Die heutige Stadt Altentreptow hieß bis 1939 Treptow an der Tollense und gehörte mit Demmin zu den beiden wichtigsten Städten des sogenannten Demminer Kreises im Brandenburgischen Vorpommern. Treptow teilt deshalb mit Demmin eine ähnliche Historie, soweit es die jüdische Regionalgeschichte angeht. Gemeinsam mit Demmin kam Treptow nach dem Stockholmer Frieden 1720 zu Preußen. Dennoch ist bis heute nicht bekannt, ob in den beiden Städten Schwedische oder Preußische Judengesetze galten. Wie auch Demmin gehörte Treptow damit ursprünglich nicht zu Mecklenburg, ist nun jedoch im Landkreises Mecklenburgische Seenplatte beheimatet und damit zumindest verwaltungstechnisch Teil von Mecklenburg. Darüber hinaus waren die späteren jüdischen Gemeinden dieser Städte stets auch organisatorisch nah verbunden.

Ob es bereits im Mittelalter ansässige Juden in Treptow gab, ist unklar. In der Neuzeit begann die jüdische Besiedlung Treptows vergleichsweise spät, was vermutlich ihrer geringeren wirtschaftlichen Bedeutung geschuldet ist. Im gesamten Demminer Kreis einschließlich der Städte Demmin und Treptow gab es 1777 noch keinen einzigen Juden. Wann genau sich der erste Schutzjude in Treptow ansiedelte, bedarf weiterer Klärung. Angeblich soll Treptow schon im Jahr 1812 über sechs jüdische Einwohner verfügt haben. Die Beweislage dafür ist allerdings dünn. Vielmehr scheint der erste Schutzjuden in Treptow sich erst im November 1816 angesiedelt zu haben. ein David Kaufmann, der aus Ueckermünde hierher gekommen war. Er muss wohl unverheiratet und ohne Kinder gewesen sein, denn die gleiche Quelle belegt für 1817, dass hier nun schon zwei unverheiratete Juden wohnten. Der unbekannte zweite Jude muss Treptow wieder verlassen haben, denn von 1818 bis mindestens 1820 blieb Kaufmann der einzige jüdische Einwohner von Treptow. Er muss Treptow dann aber verlassen haben, denn 1824 lebten hier vier jüdische Personen, genauer zwei getraute Paare. Ein Paar bestand aus Haase Cohn und Betty Meyer. Letztere stammte aus Stavenhagen, Ersterer stammte wie sein Bruder, der Ehemann des zweiten Paares, aus Alt-Strelitz.

Trotz der geringen jüdischen Bevölkerung wurde erstaunlicherweise schon 1828 vor dem Demminer Tor am Klosterberg ein kleiner jüdischer Friedhof gegen Zahlung eines jährlichen Kanons angelegt. Wie Demmin gehörte bis Juni 1847 auch die kleine jüdische Gemeinschaft von Treptow organisatorisch zunächst zur Stralsunder Gemeinde. Im Juli 1847 wurde die Synagogengemeinde Demmin gegründet, die den gesamten Kreis Demmin umfasste und mit Treptow 175 Mitglieder hatte.

Bereits im August 1845 hatten die Treptower Juden, vertreten durch den vermutlichen Vorsteher Manasse Cohn, einen Lehrer und Schächter gesucht. Ob sie fündig wurden, ist nicht überliefert. Trotz der geringen jüdischen Einwohner wollte die Treptower Judenschaft körperschaftlich selbständigere Wege gehen. Bis etwa 1850 gehörte die jüdische Gemeinde von Treptow zur Demminer Gemeinde, bis sie dann eine eigene Filialgemeinde bildeten. Spätestens 1855 verfügte Treptow auch über eine eigene Synagoge und Religionsschule. Am 12. September 1857 erließ die Demminer Gemeinde eine eigene Gemeindeordnung, die auch hier galt. Diese wurde am 30. Oktober 1926 durch neues Statut ersetzt, das größtenteils auf der Gemeindeordnung vom 12. September 1857 basierte.

Nur einige wenige jüdische Einwohner von Treptow wurden wirtschaftlich erfolgreich. 1849 erwarb der jüdische Handelsmann Moses Salomon aus Treptow das Gut Beggerow mit einer stattlichen Größe von 230 Hektar aus dem Besitz der Familie Podewills. Nach seinem Tod ging es an den Demminer Handelsmann Salomon Cohnheim über. Diese Beiden blieben auch die einzigen jüdischen Gutsbesitzer im Kreis Demmin. Ab 1850 betrieben die Gebrüder Salomon in Treptow ein nennenswertes Getreide- und Wollgeschäft. Von 1869 bis September 1871 war der in Stavenhagen geborene Dr. med Jacob Meyer praktischer Arzt in Treptow an der Tollense. Er ging danach jedoch nach Hamburg.

In Treptow gab es erst ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts mit ca. 20 Gemeindemitgliedern eine nennenswerte jüdische Bevölkerung. Den Höchststand erreichte man 1855 mit 45 Personen, danach erfolgte ein kontinuierlicher Abfall bis 1909 auf unter fünf Personen, um danach bis 1925 nochmals auf neun leicht anzusteigen. Die Gemeinde von Treptow war körperschaftlich nicht mehr überlebensfähig. 1928/29 erfolgte der Anschluss an die Stralsunder Gemeinde.

Wie viele jüdische Einwohner noch zur Machtergreifung der Nationalsozialisten in Treptow an der Tollense wohnten, ist derzeit nicht genau bekannt. Es existierte jedenfalls noch ein „jüdisches“ Geschäft, die Filiale Meyer in der Unterbaustraße. Wie überall im Land kam es auch hier zu den üblichen Repressalien. So standen zum „Judenboykott“ am 1. April 1933 vor dem Geschäft SA-Leute und versuchten, die Kundschaft abzuschrecken. Laut einer Restitutionsliste der Claims Conference muss auch eine Flora Joseph in Treptow enteignet worden sein, ohne das die genaueren Umstände dazu bekannt wären. Wie üblich wurde hier in dieser Zeit auch der jüdische Friedhof geschändet. Mit Ida Löwenberg geb. Liepmann gab es mindestens ein Holocaustopfer mit Bezug zu Altentreptow.

Heute erinnert ein Stolperstein in der Koserstraße an Hildegard Kuhn geb. Davidsohn. Die jüdische Geschichte des Demminer Kreises und Altentreptows ist in den letzten Jahrzehnten recht gut erforscht worden. Zu verdanken ist dies vor allem der Historikerin und Bibliothekarin Erla Vensky.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 04.07.2017)
Quellen:

  • Berghaus, Heinrich: Handbuch des Herzogthums Pommern und des Fürstenthums Rügen. Enthaltend Schilderung der Zustände dieser Lande in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, II. Theils Band I, Verlag W. Dietze, Anklam 1865, S. 4
  • Diekmann, Irene: Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam 1998
  • Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Die Familiennamen der Juden in Mecklenburg: Mehr als 2000 jüdische Familien aus 53 Orten der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im 18. und 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2001
  • Kratz, Gustav: Die Städte der Provinz Pommern: Abriss ihrer Geschichte, Abriß ihrer Geschichte, zumeist nach Urkunden, Berlin 1865, S. 522
  • Landesarchiv Greifswald: Rep. 38b (Demmin), Nr. 847; Rep. 38b (Altentreptow), Nr. 690 (Acta des Magistrats zu Treptow a. T. betreffend die Bevölkerungslisten bezüglich der Juden); Rep. 38b (Altentreptow), Nr. 990 (Acta des Magistrats zu Treptow a. T. betreffend die Geburten, Trauungen und Todesfälle unter den Juden); Rep. 38b (Altentreptow), Nr. 993 (Acta des Magistrats zu Treptow a. T. betreffend die Anlegung eines Begräbnisplatzes für die hiesige jüdische Gemeinde)
  • Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 2.12.-4/5, Nr. 241, 632, 665 (Judenangelegenheiten)
  • The Conference on Jewish Material Claims against Germany: list of names of original owners of assets that were located in the former German Democratic Republic (today’s states of Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thueringen and the former East Berlin)
  • Vensky, Erla: Juden im Kreis Demmin, Heitmann, Margret / Schoeps, Julius H. (Hrsg.): „Halte fern dem ganzen Lande jedes Verderben ...“: Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Hildesheim/Zürich/New York 1995, S. 193-207
  • Willgeroth, Gustav: Die mecklenburgischen Ärzte von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Schwerin 1929

Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Altentreptow


Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Altentreptow

Familien mit Bezug zu Altentreptow


Blumenthal, Bruck, Cohn, Davidsohn, Horn, Israel, Jochim, Joseph, Kuhn, Kurtzig, Liepmann, Meyer, Moses, Nathan, Salomon, Vobche

Bekannte Holocaust-Opfer (1)


  • Ida Löwenberg geb. Liepmann

Stolpersteine: 1


  • Koserstraße 21
    • Hildegard Kuhn geb. Davidsohn

Veröffentlichungen zu den Juden von Altentreptow


Publikationen


  • Fehrs, Jörg H.: „... fanden in unserem tristenreichen Pommern vortreffliche Äcker.“: Zur Situation jüdischer Lehrer und Schüler in Pommern während des 19. Jahrhunderts
    In: Heitmann, Margret / Schoeps, Julius H. (Hrsg.): „Halte fern dem ganzen Lande jedes Verderben ...“: Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Hildesheim/Zürich/New York 1995, S. 315-341
  • Wilhelmus, Wolfgang: Aus der Geschichte der Juden in Vorpommern
    In: Diekmann, Irene: Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam 1998, S. 23-36
  • Schmidt, Monika: Schändungen jüdischer Friedhöfe in der DDR: Eine Dokumentation, Reihe Positionen, Perspektiven, Diagnosen, Band 1

Dokumente mit Bezug zu den Juden von Altentreptow


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Beschreibung Zeitpunkt/Zeitraum Typ
Flächenzukaufvertrag bezüglich des jüdischen Friedhofs Treptow an der Tollense vom 22. Januar 1844 22. Januar 1844 Transkript