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Goldberg

Zur jüdischen Geschichte von Goldberg


Für die Stadt Goldberg liegen derzeit keinerlei Hinweise auf eine jüdische Bevölkerung während der Phase der jüdischen Erstbesiedlung vor. Erst für die Zeit nach der jüdischen Wiederbesiedlung liegen erste Nachweise für hier ansässige Juden vor.

Gemäß einer Liste aller privilegierter Schutzjuden aus dem Jahr 1760, die den Zeitraum von 1749 bis 1760 abdeckt, waren die ersten in Goldberg ansässigen Juden ein Saul Jochim und ein Carl Wulff, die beide am 23. Oktober 1753 ihr Privileg für Goldberg erhalten hatten. Ihnen folgte kurze Zeit später Israel Henschel mit seinem Privileg vom 11. Januar 1754. Ab 1757 kamen weitere Schutzjuden hinzu: Jacob Levien mit Privileg vom 27. Januar 1757, Nathan Behrend, der am 26. Februar 1759 seinen Schutzbrief für Goldberg erhalten hatte, Israel Levien mit Privileg vom 12. Juli 1759 und Samuel Levin, der am 11. August 1759 privilegiert worden war. Im Jahr 1760 kamen dann noch zwei weitere Schutzjuden dazu: ein David Hirsch, der sein Privileg am 16. September 1757 zunächst für Krakow erhalten, aber nach dem Stadtbrand am 29. April 1760 einen Schutzbrief für Goldberg erhalten hatte, sowie ein Jacob Salomon mit seinem Schutzbrief vom 30. Juli 1760. Damit lebten um 1760 insgesamt neun Schutzjuden in Goldberg, was für Mecklenburger Landstädte dieser Größe außergewöhnlich war und auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Stadt ausgeschöpft haben dürfte. Bis auf David Hirsch hatten fast alle Schutzjuden die üblichen zwölf Reichstaler Recognitionsgeld zu zahlen. Warum David Hirsch 1760 eine außerordentlich unübliche Summe von 42 Reichstalern zu zahlen hatte, lässt sich wohl nur mit Nachzahlungen gestundeter Schutzgelder erklären.

Dank des Werkes „Geschichte der Juden in Mecklenburg von den ältesten Zeiten (1266) bis auf die Gegenwart (1874)“ des Güstrower Rabbiners Dr. Leopold Donath sind aus dieser Frühzeit der jüdischen Besiedlung Goldbergs noch einige Fakten überliefert. So sollen vor 1785 Stadtrichter in Goldberg Beschwerde darüber geführt haben, dass die Juden ihre Kinder zum Sonntag in die Schule schickten, aus christlicher Sicht ein Verstoß gegen die Sonntagsruhe. Doch der damalige Herzog Friedrich der Fromme erlaubte dies mit der Begründung, dass es besser wäre, sie gingen in die Schule, als dass sie auf der Straße „herumlungerten“. Noch eine weitere Ruhestörung erregte Ärgernis in Goldberg und führte zu einer Klage beim Herzog, da die Goldberger Juden zum jüdischen Laubhüttenfest, das auf einen Sonntag fiel, laute Musik spielten. In diesem Fall bestätigte der Herzog jedoch die verhängte Geldstrafe gegen die Juden, worunter namentlich auch der zuvor genannte Schutzjude Israel Henschel erwähnt wurde.

Erst 1811 werden die Goldberger Juden wieder aktenkundig. Laut eines Berichts der örtlichen Steuerstube in diesem Jahr hatten hier am 6. Juli 1811 insgesamt fünf Schutzjuden die Erlaubnis, eigene Knechte zu halten: ein Heimann Joseph, bei dem sowohl sein Sohn als auch ein Itzig Heimann als Knecht tätig war, darüber hinaus Michel Saul, Moses Wulff, Carl Wulff, Levin Salomon und Levin Behrend.

Nach dem Erlass des Emanzipationsedikts vom 22. Februar 1813 waren auch die Goldberger Juden aufgefordert, sich erbliche Familiennamen zu wählen. Wie der spätere Landesrabbiner Dr. Siegfried Silberstein rekonstruiert hat, erfolgte die Meldung aus Goldberg nach Schwerin am 27. Mai 1813, die insgesamt neun Schutzjuden mit sechs unterschiedlichen Namen auflistete: Bernhardt, David, Josephi (später Josephy), Salomon, Saul und Wolff.

Durch einen Glücksfall ist bis heute eine nahezug vollständige namentliche Aufstellung aller erwachsenen jüdischen Einwohner Goldberg zu Michaelis 1824 erhalten geblieben. Das „Verzeichniß sämmtlicher in der Stadt recipirten Juden“ listet zu diesem Zeitpunkt insgesamt 23 männliche und 19 weibliche Personen auf, von denen allerdings einige zumindest zeitweise in anderen Mecklenburger Orten geschäftlich etabliert waren oder verheiratet und dauerhaft weggezogen waren. Darunter befinden sich die Familiennamen: Bernhardt, David, Freudenfels, Joel, Josephy, König, Leventhal, Saul, Salomon und Wulff. Nur ein Jahr später wird in dem Generalverzeichnis aller Schutzjuden des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin auch Goldberg erwähnt. Danach lebten 1825 insgesamt zwölf Schutzjuden in Goldberg: Heimann Josephy, Moses Wulff, Michel Saul, Carl Wulff, Behr Bernhardt, Behr Michel Saul, Isaac Freudenfels, Philip Levin Leventhal, Joseph Levin Bernhardt, ein Graveur König, Levin Salomon David und Heinrich Michel Saul.

Die jüdischen Geschichte der Folgejahrzehnte ist derzeit noch wenig erforscht. Wie die meisten jüdischen Gemeinden in Mecklenburg erhielt auch die Goldberger Gemeinde zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine landesherrlich verordnete Gemeindeordnung, genauer am 22. März 1845. Im gleichen Jahr wurde auch die Synagoge in der Jungfernstraße errichtet. Wann jedoch der jüdische Friedhof in der Güstrower Straße angelegt wurde, ist bis heute unbekannt. Der Bauingenieur Dr. hc. Isidor Carl Bernhard und der bekannte Schweriner Kaufhausbesitzer Kommerzienrat Louis Kychenthal hatten in Goldberg ihre Wurzeln.

Die jüdische Gemeinde von Goldberg war noch während des ersten Quartals des 19. Jahrhunderts mit etwas unter 50 Mitgliedern recht klein geblieben, vergrößerte sich danach aber vor allem aufgrund des Nachwuches, bis sie um 1855 ihren Höchststand mit über 80 Personen erreichte. Danach kam es jedoch auch hier aufgrund der Abwanderung in die größeren Städte zu einer rapiden Schrumpfung der Gemeinde, so dass bis 1900 hier nur noch weniger als 15 Personen jüdischer Abstammung oder Religion lebten. Wie in den meisten kleineren Gemeinden in Mecklenburg in dieser Zeit führte das zu finanziellen Problemen bei der Erfüllung der Gemeindeaufgaben und auch hier zu Auflösungsbestrebungen. Der erste Versuch dazu erfolgte im Jahr 1908. Am 6. Juli 1908 wünscht das Großherzogliche Justiz-Ministerium vom Israelitischen Oberrat eine Stellungnahme zum Verkauf der Synagoge in Goldberg Die jüdische Gemeinde Goldberg erklärte jedoch, dass sie vom Verkauf zurückgetreten sei, da die Synagoge nach Aussage vom damaligen Gemeindevorsteher Max Josephy Ende 1908 doch noch schuldenfrei werden würde. Eine Auflösung wurde daher noch nicht weiterverfolgt. Doch schon 1915 war die Gemeinde finanziell nicht mehr tragfähig. Am 27. Februar 1915 beschlossen deshalb die jüdische Gemeinde Goldberg und ihr Patron die Auflösung und den Anschluss an die Gemeinde in Güstrow. Diese scheint jedoch nicht vollzogen worden zu sein, denn nochmals im Mai 1917 wurde dem neuen Vorsteher Max Kychenthal seitens des Israelitischen Oberrats die Auflösung und den Anschluss an die Gemeinde Güstrow nahe gelegt. Der Friedhof wurde daraufhin von der Israelitischen Landesgemeinde übernommen, das vorhandene Vermögen und die Verwaltung der Stiftungsgelder gingen ebenfalls auf die Israelitischen Landesgemeinde über. Die Güstrower Gemeinde erhielt aus dem Vermögen der Gemeinde Goldberg eine Entschädigungszahlung in Höhe von 500 Mark zur freien Verfügung. Die Mitglieder von Goldberg mussten fortan einen Jahresbeitrag in die Kasse von Güstrow in Höhe von 15 Mark zahlen. Das Restvermögen der Gemeinde Goldberg betrug 1900 Mark und sollte für die Pflege und Instandhaltung des Friedhofes verwendet werden. Die Personenstandsregister, Rechnungsbücher, Stempel, Siegel und sonstige Akten wurden dem Geheimen Staatsarchiv übergeben.

Am 30. August 1918 zahlt die Gemeinde Goldberg die Ablösesumme der Grundmiete für das Friedhofsgrundstück Nr. 259 in Höhe von 117,50 Mark, womit das Grundstück schließlich in das Eigentum der Gemeinde Goldberg überging. Am 5. September 1918 verfügte das Großherzogliche Ministerium für Unterricht und Kultur aufgrund des landesherrlichen Erlasses vom 20. April 1918 die Auflösung der Israelitischen Gemeinde von Goldberg und setzte die Gemeindeordnung vom 22. März 1845 außer Kraft.

Über mögliche Vorfälle gegen jüdische Einwohner nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist wenig bekannt und bedarf weiterer Klärung. Belegt ist, dass im Jahr 1935 in Goldberg immer noch zwei Familien mit insgesamt sechs Personen wohnten, die von den Nationalsozialisten als Juden eingestuft wurde. Es ist unwahrscheinlich, dass diese unbehelligt blieben. Zumindest die in Goldberg ansässige Zweigstelle der Chemischen Fabrik Siegfried Kroch aus Hamburg wurde 1939 „arisiert“ und zur Chemischen Fabrik Wandsbek AG umfirmiert, da der Inhaber jüdischer Abstammung war. Einige gebürtige Goldberger wurde später Opfer des Holocaust. Bisher wurde hier noch kein Stolperstein verlegt. Heute weist eine Gedenkplakette am Eingang zur Kirche in der Jungfernstraße 34 auf die ursprüngliche Synagoge hin.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 06.04.2017)
Quellen:

  • http://www.svz.de/lokales/zeitung-fuer-goldberg-luebz-plau/indische-gallaepfel-fuer-goldberg-id12950776.html
  • Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Wichern-Verlag, Berlin 1992
  • Borchert, Jürgen / Klose, Detlef: Was blieb... Jüdische Spuren in Mecklenburg, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 1994
  • Brocke, Michael / Ruthenberg, Eckehart / Schulenburg, Kai Uwe: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Institut Kirche und Judentum, Berlin 1994
  • Donath, Leopold: Geschichte der Juden in Mecklenburg von den ältesten Zeiten (1266) bis auf die Gegenwart (1874), Verlag Oskar Leiner, Leipzig 1874
  • Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Die Familiennamen der Juden in Mecklenburg: Mehr als 2000 jüdische Familien aus 53 Orten der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im 18. und 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2001
  • Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 2.12-4/5, Nr. 241, Nr. 632, Nr. 665 (Judenangelegenheiten); Rep. 5.12-7/12, Nr. 55 (Regierungskommissar beim Israelitischen Oberrat); Rep. 10.72-3/1, Nr. 33 (Judenangelegenheiten der jüd. Gemeinden Meckl.-Schwerin)
  • Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
  • Stadtarchiv Ludwigslust: Sig. 1/119, Schreiben der Stadt Goldberg an NSDAP Gauleitung Meckl.-Lübeck, Gauamt für Kommunalpolitik, vom 25. Juni 1935

Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Goldberg


Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Goldberg

Familien mit Bezug zu Goldberg


Aaron, Abraham, Ahrens, Ahrenson, Alexander, Ascher, Baer, Behrend, Benjamin, Bentheim, Bernhard, Bernhardt, Bragenheim, Buchler, David, Engel, Freudenfeld, Freudenfels, Friedheim, Gumpel, Gümpel, Hertzen/Herzen/Herzfeld, Heynssen, Hinnerichs, Hirsch, Jacob, Jacobsohn, Jacobson, Joachim, Joel, Joseph, Josephy, Kohn, Kychenthal, König, Lazarus, Lehmann, Leventhal, Levi, Levin, Levy, Louis, Löwenthal, Magnus, Mannheim, Marcus, Masius, Pollack, Potzernheim, Quade, Rosenstern, Rosenthal, Saalfeld, Salomon, Samuel, Saul, Schlomann, Schüler, Seligmann, Simonis, Sommerfeld, Wolff, Wolfsberg, Wulff, Würzburg

Persönlichkeiten


Bekannte Holocaust-Opfer (3)


  • Ida Durra geb. Bernhard
  • Schweriner Kaufhausbesitzer Kommerzienrat Louis Kychenthal
  • Else Saenger geb. Kychenthal

Veröffentlichungen zu den Juden von Goldberg


Publikationen


  • Adreßbücher über und für den Gewerbe- und Handelsstand der Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz
  • Mercantilisches Addreßbuch der Großherzogthümer Meckl.-Schwerin u. -Strelitz, worin: die Addressen der Magistratspersonen der Städte, der weltlich obrigkeitlichen Beamten der Flecken, der Accise- und Postbeamten, fremden Consuls, Advocaten, Apotheker, Kaufleute, Fabrikanten, Manufacteurs, Buchhändler, Gasthofinhaber und anderer dazu qualificirende Handels- oder industrielle Geschäfte treibende Leute in den Großherzopthümern, wie auch: bei jedem entsprechenden Orte Angabe seiner Wolkszahl, Meilenzeiger, Notizen über Schiffs-, Fuhrgelegenheiten etc.
  • Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen
  • Borchert, Jürgen / Klose, Detlef: Was blieb... Jüdische Spuren in Mecklenburg
  • Buddrus, Michael / Fritzlar, Sigrid: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich: ein Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, ergänzt durch ein biographisches Lexikon der Bürgermeister, Stadträte und Ratsherren
  • Dicleli, Cengiz: Der Bauingenieur Karl Bernhard: Erbauer der AEG-Turbinenhalle
    In: Bautechnik 87 (2010), Heft 4, S. 220-228
  • Morisse, Heiko: Über die aus Warin in Mecklenburg stammende Familie Friedrichs
    In: Liskor - Erinnern: Magazin der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e. V., 1. Jahrgang, November 2016, Nr. 004, S. 20-29
  • Schmidt, Werner: Stammbaum der Familie Friedheim: Goldschmiedemarken: neue Forschungsergebnisse Teil 21
    In: Weltkunst: die Zeitschrift für Kunst und Antiquitäten, München, Bd. 68 (1998), H. 15, S. 2839-2841
  • Voß, Gerhard: Jüdische Mitbürger in Goldberg
    In: Festkomitee zur 750-Jahrfeier, Festschrift zum Jubiläum der Stadt Goldberg 1248-1998, Goldberg 1998

Links/Online-Ressourcen


Dokumente mit Bezug zu den Juden von Goldberg


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Beschreibung Zeitpunkt/Zeitraum Typ
Auszug aller privilegirten Juden und was selbige Laut der, mittelst Herzoglich Verordnung vom 20. Septbr. 1760 Communicirten Specification An Schutz-Geld Zur Herzoglich. Renterey von Anno 1749 bis zum Termino Trinitatis 1760 bezahlet haben, und darauf nach infinuation gedachter Specification, nemlich den 1ten Octobr. 1760 Restiren. 1749-1760 Transkript
Berichte der örtlichen Steuerstuben zu Knechten der ansässigen Schutzjuden auf Anforderung der Steuer-Policey- und städtischen Cämmerey-Commißion zu Güstrow vom 18. Juni 1811 1811 Zusammenfassung
General-Verzeichniß der in den Städten des Großherzogthums Mecklenburg Schwerin privilegirten sämmtlichen Schutz-Juden 3. Januar 1825 Transkript
Schutzjudenlisten für das Jahr 1824 für Bützow, Brüel, Crivitz und Goldberg 1824 Transkript
Verkaufsvertrag bezüglich des jüdischen Friedhofs Goldberg an die Stadt Goldberg vom 5. September 1940 5. September 1940 Transkript