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Jüdischer Friedhof Parchim

Region: Ludwigslust-Parchim
Adresse: Parchim, Voigtsdorfer Weg (einige Grabsteine auf Neuem Friedhof)
Erhaltung: zerstört
Erfasste Gräber, Grab- und Gedenksteine: 77

Geschichte des Friedhofs

In der Stadt Parchim hat es in der Zeit der jüdischen Erstbesiedlung Mecklenburgs durch die bereits damals bestehende und bedeutende jüdische Gemeinde einen mittelalterlichen jüdischen Friedhof gegeben. Der neue und heute noch bekannte jüdische Friedhof von Parchim wurde nach der jüdischen Wiederbesiedlung Mecklenburgs angelegt. Dazu hatten zuvor am 22. November 1763 die acht, in Parchim ansässigen Schutzjuden an den Herzog eine Bittschrift um Überlassung eines Grundstückes verfasst, um darauf einen Begräbnisplatz anzulegen. Der Bitte wurde entgegen dem Wunsch des Magistrats stattgegeben und sie erhielten ein Gelände, das damals außerhalb der Stadt, am heutigen Voigstdorfer Weg in der Nähe des Wockersees lag. Bis 1803 müssen dort neben den Parchimer Juden auch die Lübzer Gemeinde ihre Toten bestattet haben, denn in diesem Jahr wurde auf Antrag des Vorstehers der jüdischen Gemeinde Parchim, David Hirsch, die Bestattung auswärtiger Juden beendet.

Der jüdische Friedhof von Parchim wurde bereits 1806 geschändet, wobei sowohl Gräber als auch Grabhölzer beschädigt wurden. Täter konnten nicht ermittelt werden, jedoch vermutete man, dass diese aus Parchim stammten. Der Fall zählt damit zu den derzeit frühesten bekannten Schändungen jüdischer Friedhöfe in Mecklenburg.

1846 wurde der Friedhof erweitert und erhielt erstmalig eine ihn vollständig umgebende Mauer. 1851 erhielt die Gemeinde die Genehmigung der Stadt, auf dem Friedhofsgelände Bäume anzupflanzen, die diese von der Stadt unentgeltlich erhielt.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde der Friedhof erstmalig im Juli 1936 geschändet. Trotzdem fand am 21. Dezember 1937 noch eine letzte Bestattung statt. Aus politischen Gründen durfte die Ehefrau des Verstorbenen, des Religionslehrers Abraham Steinkritzer, anstatt eines herkömmlichen Grabsteins nur noch eine bloß Grabplatte anbringen. Zur „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 kam es wie fast überall in Mecklenburg zu Verwüstungen auf dem Friedhof. So wurden alle Grabsteine umgeworfen und ein kleiner Schuppen angezündet. Danach untersagte die Stadt dort weitere Bestattungen, wonach der Friedhof verwilderte. Die Friedhofsmauer wurde teilweise abgetragen und die Steine als Baumaterial verwendet.

Im November 1947 sollte der Friedhof vorläufig als Grünanlage hergerichtet werden, wurde aber im Oktober 1948 doch als Gedenkstätte angelegt. Mit Vertrag vom September 1966 mit der Jüdischen Landesgemeinde Mecklenburg übernahm die Stadt Parchim dessen weitere Pflege. Wegen einer geplanten Erweiterung des angrenzenden Schwimmbades wurden die Grabsteine 1969 abgeräumt und zum geplanten Neuen Friedhof am Eichberg gebracht. Die auf dem Grundstück befindlichen Bäume wurden gerodet, die Reste der ehemaligen Friedhofsmauer sowie die Erde abgetragen. Die dabei gefundenen Gebeine wurden eingesammelt und auf dem Eichberg bestattet. 1970 kam es dann dort zur Einweihung des neuen jüdischen Friedhofs als Gedenkstätte. Noch heute sind dort einige Grabsteine oder Bruchstücke solcher zu finden.

Ein heute noch überliefertes offizielles Gräberverzeichnis weist 69 Bestattungen für den jüdischen Friedhof von Parchim aus. Durch überlieferte Personendaten müssen dort aber seit Gründung des neuen Friedhofs 1763 bis zur Schließung während der Zeit des Nationalsozialismus mindestens 142 Verstorbene beerdigt worden sein.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 01.03.2016)
Quellen:

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdischer_Friedhof_(Parchim)
  • Donath, Leopold: Geschichte der Juden in Mecklenburg von den ältesten Zeiten (1266) bis auf die Gegenwart (1874), Verlag Oskar Leiner, Leipzig 1874
  • Frank, Doreen: Jüdische Begräbnisstätten in Parchim, Schriftenreihe des Heimatbundes e. V., Pütt, Parchim in Mecklenburg 2012, S. 20–23
  • Kaelcke, Wolfgang / Keuthe, Burghard: Der Parchimer Judenkaiser, Schriftenreihe des Heimatbundes e. V., Pütt, Parchim in Mecklenburg 1997, S. 13-15
  • Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 10.72-3/3, Nr. 53 (Gräberverzeichnis Parchim)
  • Stadtarchiv Parchim: Sig. 635a, Friedhofs-, Begräbnisplatz- u. Beerdigungsfragen sowie Schändung von Gräbern und Grabhölzern, 1763, 1803, 1806, 1845, 1847, 1851, 1919